- Autor: Coletta Datz und Fabian Denhoff
- Fach: Deutsch
- Lerngruppe: Jahrgangsstufe 8
- Schulform: Gymnasium, Rheinland-Pfalz
- Prüfungsformat: Open-Book-Klausur – Stellungnahme
- Lizenz: CC BY-SA 4.0
Die Grundidee
Die Schüler*innen reflektieren im Nachgang einer Literaturreihe wahlweise die Lektüre oder ihre Erfahrungen mit der Art der Auseinandersetzung.
Das Unterrichtsvorhaben
Das Unterrichtsvorhaben zum Jugendroman „tschick“ von Wolfgang Herrndorf erfolgte über mehrere Wochen gänzlich im Fernunterricht. Zentrale Themen der Lektüre (wie bspw. Ausgrenzung, Vorurteile, Homophobie, Angst vor Tod und Vergänglichkeit) sowie sprachliche Besonderheiten wurden durch entsprechende Aufgaben angeregt und von den Schüler*innen größtenteils in selbstgesteuerten Lernprozessen erarbeitet. Ein fruchtbarer Austausch in Forendiskussionen und im Messengermodul, im Präsentieren von selbsterstellten Bild-, Audio- und Videodateien sowie beim Erteilen von Peer-Feedback gekoppelt mit kollaborativen Arbeitsformen ermöglichte das schulinterne Lernmanagementsystem. Immer wieder waren die Schüler*innen dabei herausgefordert, ihre eigene Weltsicht mit der der Protagonisten des Romans, aber auch mit der ihrer Mitschüler*innen zu vergleichen, sich an dieser „zu reiben“ und sich im Idealfall selbst zu reflektieren.
Die Leistungsüberprüfung
Die beiden Aufgaben, zwischen denen die Schüler*innen frei wählen konnten, schließen diesen überwiegend selbstgesteuerten, aber auf gegenseitigem Austausch basierenden Lernprozess am Ende des Unterrichtsvorhabens mit einer kritischen Reflexion der eigenen Erfahrungen im Fernunterricht ab. Wichtig: Beiden Vorschlägen war gemein, dass die Schüler*innen die Vorgabe hatten, ihre individuellen Positionen anhand von konkreten Lernprodukten zu belegen und zu erläutern.
Wahlmöglichkeit 1: Reflexion der Lektüreauswahl
Der Lehrplan des Landes RLP gibt bei der Auswahl literarischer Texte Folgendes vor:
„Die Schülerinnen und Schüler lernen […] literarische Texte als ein Potential von Bedeutungen kennen, das zur Reflexion von Erfahrungen, Gefühlen, Selbstbildern und Interessen herausfordert. Zudem soll ihnen die Möglichkeit eröffnet werden, zunehmend Freude am Umgang mit literarischen Texten zu gewinnen. Texte, die Alternativen zu der von ihnen erfahrenen Wirklichkeit aufzeigen, bieten ihnen oft auch neue Perspektiven und Möglichkeiten zur Ausbildung eines eigenen Urteils an.“
Inwiefern ist der Roman „tschick“ für Dich persönlich diesen Anforderungen gerecht geworden?
Wahlmöglichkeit 2: Reflexion der Art der Auseinandersetzung
Wie gut ist es Dir gelungen, die Handlung/Figuren des Romans im ausschließlich digitalen Arbeiten und Austauschen kennenzulernen? Welche Vor-, welche Nachteile hast Du wahrgenommen? Würdest Du in der Rückschau die rein digitale Auseinandersetzung empfehlen?
Schüler*innenfeedback
„Bitte was? Wir dürfen unsere Unterlagen verwenden? Und miteinander reden?“ Die erste Reaktion der Schüler*innen waren von Ungläubigkeit, ja auch: Skepsis geprägt – nachvollziehbarerweise, bricht doch dieses Prüfungsformat in mehreren Aspekten mit dem, was man gewohnt ist. Dies beschränkt sich nicht nur auf die Prüfungsmodalitäten, sondern auch und ganz besonders auf den Inhalt der Arbeit. „Hier geht es ja tatsächlich um meine Meinung…?“ äußerte eine Schülerin nach Aufgabeneröffnung. Genau! Die Prüfung markiert keine Überprüfung inhaltlicher Aspekte, sondern zielt auf eine schonungslos kritische Auseinandersetzung mit dem eigenen Lern- und Arbeitsprozess respektive mit der Lektüre der einzelnen Person ab. Je differenzierter, facettenreicher, tiefschürfender, desto besser. Das Manko des summativen Feedbacks wird hierdurch zumindest abgeschwächt, vielleicht sogar ausgeglichen, da die Schüler*innen, die im Laufe der mehrwöchigen Auseinandersetzung mit der Lektüre gute/sehr gute Denkanstöße erhalten und weitergegeben haben, massiv im Vorteil waren die Früchte ihres Engagements ernten konnten.
In der Rückschau bewertete die Lerngruppe das Format außerordentlich positiv, und das unabhängig vom persönlichen Ergebnis.
Learnings
Audiofeedback plus Bewertungsbogen, ist das nicht redundant? Wir haben die Erfahrung gesammelt, dass das gesprochene, nicht abgelesene Wort eine andere Form von Nahbarkeit und persönlicher Adressierung ermöglicht. Es verursacht zugegebenermaßen Arbeit, aber gerade bei diesem Leistungsnachweis, in dem sich die Schüler*innen persönlich so sehr öffnen mussten, war es uns ein Anliegen.
Im Vorlauf zur Durchführung haben wir die Eltern per E-Mail informiert, was wir mit ihren Kindern vorhaben. Dies können wir nur nachdrücklich empfehlen, denn auch für die Eltern war dieses Format neu.
Wichtigstes Learning: Wenn man Schüler*innen die Möglichkeit gibt, Unterrichtsinhalte und -methoden auf Basis persönlicher Erfahrungen kritisch zu reflektieren, können ungeahnte Einblicke gewährt werden und beiderseits erhellende Einsichten entstehen. Probiert’s aus, es lohnt sich!
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