In ihrer Klausurersatzleistung in Form einer Projektarbeit hat die Schülerin Jette Blome (Jgst. 12) die dystopische Qualität des Films “The Truman Show” unter Berücksichtigung des Modells der Vorder- und Hinterbühne von Erving Goffman erörtert. Die Arbeit wurde betreut von der Englisch-Lehrerin Christina Lehmann (@Chrissl_L) am Gymnasium Harsewinkel und war eingebettet in das Unterrichtsvorhaben “Towards a better world: utopia/dystopia in literature and film” (LK Englisch, NRW).
Das Schöne an solchen Projekten ist, dass man was Eigenes entwickeln kann, etwas, an dem man Interesse hat, es zu schreiben, weil ich glaube, wenn man schon bewertet werden muss, warum nicht für etwas, was einem am Herzen liegt.
Jette Blome, Jgst. 12
Im nachfolgenden Interview erläutert Jette Blome ihre Intention, vor allem aber auch die Motive dafür, sich für ein alternatives Prüfungsformat entschieden zu haben.
Liebe Jette, kannst du in wenigen Sätzen einmal die zentrale Fragestellung deiner Arbeit und deine wesentlichen Erkenntnisse zusammenfassen?
Mithilfe der Theorie Goffmans und der Analyse der „Truman Show“ probierte ich die Frage zu beantworten, ob Truman, der Protagonist des Films, mehr ein Gefangener der Show als ein Performer ist. Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass diese Frage mehr impliziert als bloß Trumans Leben. Der Film hat einen enormen Effekt auf den Zuschauer, denn der Film wirkt wie ein Appell sich und sein Verhalten selbst zu reflektieren. Zum einen hinsichtlich der Objektifizierung von Berühmtheiten, denen oft durch die ständige Anwesenheit der Presse und dadurch jedes einzelnen von uns, in gewisser Weise jegliche Menschlichkeit abgesprochen wird. Zum anderen aber auch, dass man sich nach dem Schauen des Films die Frage stellt, wer man selbst in dieser Welt ist und dadurch anfängt seine Motive zu hinterfragen, die uns oft so selbstverständlich durch unser Leben tragen.
Dein Projekt umfasste neben der schriftlichen Arbeit ja auch eine Präsentation deiner Erkenntnisse für den Kurs. Wie hast du deinen Mitschüler:innen einen Zugang zu dem Thema eröffnet?
Das Ziel, welches ich mir gesetzt habe, war ein Gefühl für die Situation, für den Film zu vermitteln, und ihnen nicht nur stumpf zu erzählen, worum es geht. Ich habe sie gebeten sich vorzustellen, wie es ist in einer Welt zu leben, wo man selbst 24/7 beobachtet wird und alles um einen herum bloß ein Schauspiel ist. Ich hatte gehofft, dass sie dadurch vielleicht nicht nur einen einfacheren Zugang zu dem Film haben, sondern auch für sich selbst besser auf die Frage nach Utopie oder Dystopie antworten können, die ich in der Präsentation behandelt habe.
Du hast dich ja bewusst für eine Projektarbeit und gegen eine „normale“ Klausur entschieden. Was waren deine Beweggründe?
Ich habe mich für diese Alternative entschieden, da es eine neue Herausforderung dargestellt hat. Seit der 5. Klasse schreibt man eigentlich immer Klausuren in Englisch, am Anfang viel Grammatik, aber ab der EF ändern sich die Formate nur noch geringfügig. Man kann davon ausgehen, dass die erste Aufgabe das Schreiben einer Zusammenfassung ist und die Zweite eine Analyse. Man könnte meinen, dass es die Sache deutlich erleichtert, wenn man schon öfter Klausuren dieses Formats geschrieben hat, warum also sich den Stress machen, etwas komplett Eigenes auf die Beine zu stellen? Ganz einfach, es hat mit der Zeit seinen Anspruch verloren. Natürlich ist mit jeder Klausur noch ein gewisses Risiko verbunden, da man nie weiß, wie es ausgeht und man bei „normalen“ Klausuren auch immer deutlich unter Zeitdruck steht, aber trotzdem ist es einfacher sich hinzusetzen und das über sich ergehen zulassen und nachher aus der Klausur rauszugehen und alles zu vergessen, was man gerade geschrieben hat. Das Projekt, genauso wie die Projektarbeit, die ich im Projektkurs Anfang letzten Jahres geschrieben habe, bieten einem Möglichkeiten etwas eigenes zu entwickeln. Etwas, in das man gerne Mühen und Anstrengungen steckt. Es mag vielleicht mehr Arbeit sein und es beansprucht auch deutlich mehr Zeit, aber man gewinnt meiner Meinung nach mehr als bei Klausuren, die man in drei Stunden schreibt. Und da es so individuell ist, ist die Arbeit für einen selbst auch von größerer Bedeutung.
Was waren während des Schreib-/Arbeitsprozesses deine größten Herausforderungen und wie hast du diese bewältigt?
Die größte Hürde für mich war das Anfangen. Das Finden und Formulieren einer Leitfrage, eine geeignete Szene zu finden, Material zu haben, auf das man sich beziehen kann, all diese vorbereitenden Dinge haben sich als relativ schwierig rausgestellt. Geholfen dabei hat mir zum einen meine Lehrerin, Frau Lehmann, die mir zum Beispiel die Theorie vorgestellt hat und mir auch gleich verschiedenste Materialien geschickt hat. Damit hatte man schon mal etwas, auf das man sich beziehen konnte und was zudem noch die Suche nach einer Fragestellung erleichtert hat. Zum anderen hat mir enorm geholfen auf mein eigenes Interesse zu hören, da man so viel ausschließen kann. Außerdem war es sehr hilfreich für mich, sich bei der Suche nach einer Szene nicht auf den ganzen Film zu fokussieren, sondern sich nur Abschnitte anzuschauen und sich einfach von seiner Intuition leiten zu lassen, was gut zu analysieren wäre, oder wo einem selbst vielleicht kontroverse Fragen einfallen. Die Szene, die ich mir dann schlussendlich rausgesucht habe, war so eine Szene. Mit der Theorie im Hinterkopf, war mir klar, dass ich gerne etwas in die soziologische Richtung machen möchte, weswegen es mir die Szene, als Truman seinen für Tod gehaltenen Vater nach Jahren wiedersieht, sehr angetan hat. Hier kommt nämlich alles zusammen – Truman, der gefangen ist in der Show; Christof, der Regisseur, für den die Show alles bedeutet, und Sylvia, die es nicht mehr ertragen kann, Truman im Fernsehen zu sehen. In dieser Szene merkt man, was Goffman mit seiner Theorie meint, dass wir alle Darsteller sind, die miteinander agieren. Doch dass die Verteilung der Rollen Truman in diesem Fall nicht zum Performer, sondern zum Gefangenen machen.
Alles in allem sollte also gesagt werden, wenn man erstmal in den Schreibfluss gekommen ist, gab es eigentlich nicht wirklich Probleme und selbst wenn es welche gegeben hätte, hätte ich mich immer an Frau Lehmann wenden können, die mich gerne unterstützt hat.
Wenn du ein persönliches Fazit ziehst, hättest du in deiner Schullaufbahn gerne mehr solcher eigenständigen Projektklausuren gehabt? Was spricht aus deiner Sicht dafür aber ggf. auch dagegen?
Als Fazit kann ich auf jeden Fall sagen, dass ich solche Formen der Leistungsüberprüfung durchaus begrüße, da sie einem einfach auf eine Art fordern, die meiner Meinung nach sehr gewinnbringend ist. Natürlich muss man dafür ein gewisses Engagement mitbringen, welches bestimmt nicht alle Schüler:innen aufbringen möchten, jedoch gibt es nie Lösungen, die alle glücklich machen. Aus meinen Erfahrungen kann ich nur sagen, dass man, wenn man solche Projekte dann abgeschlossen hat, wirklichen Stolz empfindet, etwas geschafft zu haben. Des Weiteren ist es eine gute Übung, wenn man später mal studieren möchte, da in einem Studium ja auch oft Haus- oder Facharbeiten geschrieben werden müssen. Deswegen halte ich es auch für schlüssig, solche alternativen Projekte öfter anzubieten, auch wenn der Unterricht bald wieder in Präsenz stattfindet. Trotzdem würde ich sagen, dass es erst Sinn ergibt ab der Jahrgangsstufe 11 sowas einzuführen, da in den Stufen darunter wie gesagt Grammatik ein wichtiger Teil der Klausuren ist und die weg zu lassen, fatal wäre. Jedoch würde ich es nicht als Pflicht einführen, da Projekte, die so viel Eigeninitiative brauchen, auch schnell zu einer noch größeren Last werden als normale Klausuren. Nur wenn man sich aus weitestgehend eigenen Stücken dazu motivieren kann, so ein Projekt anzupacken, hat das Bestand.
Abschließend kann ich nur sagen, dass alle Schüler:innen die Chance verdienen, Projekte wie diese zu realisieren und am Ende stolz auf das Produkt sein zu dürfen.
(das Interview wurde geführt von Lars Zumbansen am 03.03.2021)
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