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Alternative Leistungsüberprüfung Deutsch: Parallelgedicht mit Kommentar als Hausaufgabe

Die Grundidee: Schülerinnen und Schüler setzen sich mit einem lyrischen Text auseinander, indem sie ein Parallelgedicht zu einem vorgegebenen Thema verfassen und anschließend ihr eigenes Gedicht mit dem Ausgangstext in einem Kommentar vergleichen.

Ausgangslage: Bei der Erstellung dieses Arbeitsformates war zunächst das Thema „Stadtlyrik“ als Thema der Leistungsüberprüfung für die Klasse 8 vorgegeben. Klassischerweise wäre die Leistungsüberprüfung über eine traditionelle Gedichtsanalyse erfolgt. Da allerdings die aktuelle Pandemielage eine Klassenarbeit in Präsenz verbot, wurde nach einem alternativen Format gesucht.

Kriterien für die Leistungsüberprüfung: Geprüft werden sollte vor allem die Fähigkeit zur analytischen Auseinandersetzung mit einem lyrischen Text. Maßstab der Bewertung sollte die gezeigte Verstehensleistung sein. Dabei sollten lyrische Ausdrucksformen in ihrer Wirkung eingeschätzt und themenbezogen interpretiert werden. Als nachrangig wurde dagegen bei der Entwicklung des Formates die traditionelle Form des Analyseaufsatzes betrachtet, auch wenn diese in der Unterrichtsreihe behandelt wurde, um den Schülerinnen und Schülern ein Grundverständnis für die systematische Auseinandersetzung mit lyrischen Formen zu vermitteln.

Individualisierung als Kernelement: Eine Leistungsüberprüfung aus der Distanz birgt immer das Problem, dass Schülerinnen und Schüler sich fremder Gedanken bedienen können und dies, angesichts der erheblichen Bedeutung, mit der Klassenarbeiten in der Schule aufgeladen werden, auch tun. Die Idee, die Schülerinnen und Schüler bei der Erstellung der Arbeit zu beobachten, wurde als unrealistisch und eines vertrauensvollen Arbeitsklimas unwürdig verworfen – zumal hier, außer einer Überwachungsatmosphäre, nichts hätte gewonnen werden können. Als Alternative würde hier der Weg der Individualisierung gewählt. Schülerinnen und Schüler sollten als Teil der Leistungsüberprüfung ein Parallelgedicht schreiben und anschließend ihre Entscheidungen und die Differenzen zwischen Ausgangstext und Paralleltext kommentieren. Dieser hohe Grad an Individualisierung in der Leistungsüberprüfung macht unerwünschte Kooperationen zwar sicher nicht unmöglich, aber deutlich unwahrscheinlicher. Ergänzend wurden den Schülerinnen und Schülern drei Ausgangstexte zur Auswahl gestellt. Auch hierdurch wurde ein individuellerer Zugang ermöglicht.

Beratung und Prozessbegleitung: Für die Bearbeitung wurde den Schülerinnen und Schülern ein Zeitraum von drei Wochen eingeräumt. Innerhalb dieses Zeitraumes wurde ein obligatorisches Beratungsgespräch vorgegeben, ein weiterer Beratungstermin oder alternativ ein kurzes, schriftliches Feedback zum bisherigen Stand wurde angeboten. Gegenstand der Beratung war vor allem das methodische Vorgehen. Zugleich bot sich hier die Möglichkeit, im Prozess einen Blick darauf zu haben, ob die bis zu diesem Zeitpunkt durchgeführten Erarbeitungsschritte wirklich verstanden oder doch eventuell nur nachgeahmt wurden. In letzterem Fall konnte dies thematisiert, Hilfestellungen angeboten und auch klar auf die geforderte Eigenständigkeit hingewiesen werden. Es zeigte sich in der Praxis, dass dies für die Schülerinnen und Schüler ungewohnt war, zum Teil musste sehr auf die Einhaltung des Termins gedrungen werden. In der Rückschau allerdings wurde die Beratung als deutliche Entlastung und Hilfe von Seiten der Schülerinnen und Schüler beschrieben.

Kommentierung als Verstehensnachweis: Einige Schülerinnen und Schüler äußerten sich im Vorfeld besorgt, dass ihre lyrischen Fähigkeiten für die Leistungsüberprüfung nicht ausreichend sein könnten. Dem wurde vor allem dadurch begegnet, dass das Schwergewicht der Benotung auf der im Kommentar gezeigten Verstehensleistung lag. Hierbei ging es darum, Abweichungen vom Originaltext, aber auch konkrete Übernahmen, jeweils im Hinblick auf ihre Wirkung und den Zusammenhang zum vorgegebenen Thema, möglichst detailliert zu begründen. Hierzu waren im Unterricht verschiedene Übungen in Anlehnung an Waldmanns „Produktiver Umgang mit Lyrik“ zu ausgewählten Phänomenen durchgeführt worden. Mehrheitlich gelang es den Schülerinnen und Schülern, beispielsweise die Übernahme eines Reimschemas zu begründen oder auch abzulehnen, mit Verweis auf die Reimspannung oder den Klang des Textes im Zusammenhang mit der vorgegebenen Thematik. Dies war allerdings auch der Bereich, der in der Beratung am meisten thematisiert werden musste, um zu verhindern, dass Schülerinnen und Schüler sich im reinen Aufzählen verloren oder aber sich mit einem „hab ich auch so gemacht“ zufrieden gaben.

Fazit: Im Gesamtergebnis lagen die Schülerinnen und Schüler etwas über dem erwarteten Durchschnitt einer Klassenarbeit zum Thema Lyrik. Die Reduktion des Zeitdrucks und die Möglichkeit der individuellen Auseinandersetzung wurden in der Rückschau als sehr positiv betrachtet. An die Möglichkeit zur Beratung im Prozess müssen sich die Schülerinnen und Schüler noch gewöhnen, die Auflösung der klassischen Prüfungssituation und die Möglichkeit, im Prozess das Ergebnis zu verbessern, wurden aber im Nachhinein als sehr positiv beschrieben. Aus Lehrersicht habe ich eine deutlich tiefere und individuellere Auseinandersetzung mit der Thematik beobachten können, ebenso eine höhere Bereitschaft, sich begleitend zum Arbeitsprozess mit den bereitgestellten Übungs- und Lernmaterialien auseinanderzusetzen. Nicht zu unterschätzen ist allerdings der Zeitaufwand für das notwendige Feedback, nicht nur auf die Gespräche bezogen, sondern auch auf den begleitenden Unterricht, da dieses insbesondere dort sehr viel stärker eingefordert wurde. Die Schülerinnen und Schüler haben die Materialien dabei als deutliche Unterstützung ihres Lern- und Arbeitsprozesses wahrgenommen und dementsprechend zielgerichtet und motiviert gearbeitet, aber eben auch sehr deutlich um zeitnahe Rückmeldung gebeten, um diese noch in ihre Arbeit einfließen lassen zu können.

Unterm Strich noch kein perfektes Format, aber insbesondere der Weg hin zur Individualisierung von Klassenarbeiten hat sich als sinnvoll und zukunftsweisend herausgestellt und wird weiter verfolgt werden.

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3 Antworten zu „Alternative Leistungsüberprüfung Deutsch: Parallelgedicht mit Kommentar als Hausaufgabe“

  1. Avatar von Ina Samel
    Ina Samel

    „kein perfektes Format“ – gibt es ein perfektes Format? Hier wird individualisiert und dem eigentlichen Verstehensprozess sicherlich viel mehr Raum gegeben. Dass Schüler:innen sich an solche Formate noch „gewöhnen“ müssen, finde ich ganz normal.
    Mir gefällt es sehr gut, ich plane gerade ein ähnliches Format mit meiner 6. Klasse.

    1. Avatar von Thomas Berndhaeuser
      Thomas Berndhaeuser

      Das „perfekte Format“ gibt es wohl wirklich nicht. Die Gewöhnung ist hier das Schlagwort. Ich erlebe SuS* häufig verunsichert, wenn ihnen Freiheit angeboten wird – aus meiner Sicht das Ergebnis jahrelanger Sozialisation in einem eher einschränkenden System. Für mich ist vor allem noch die Frage offen, wie ich die Motivation in diesem Format erhöhen kann. Bei einigen SuS* scheint der – zumindest gefühlt – wegfallende Druck zu einem deutlichen Motivationsabfall zu führen. Nicht besonders überraschend, aber ich würde dem gern konstruktiv und nicht mit erneutem Druck begegnen. Daran knobele ich noch.

  2. Avatar von Claudia Scharfenberger
    Claudia Scharfenberger

    Eine interessante, motivierende und selbstbestimmte Form der Beschäftigung mit Lyrik. Hatten die Schüler*innen diese Art von Kommentierung kennengelernt; gab es eine schreibdidaktische Anleitung (ähnlich der des Schreibens einer Gedichtanalyse)?
    Dass sich die Schüler*innen daran gewöhnen müssen, sich Feedback geben zu lassen und es als Chance betrachten, kann ich bestätigen. Aber es wird immer besser angenommen, wenn man „dran bleibt“.

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