Nach einem klassischen und eher frustrierenden Diktat im Fach Deutsch war die 8. Klasse der Realschule für ein neues Thema nur schwer zu begeistern. Deshalb erfolgte mit der Herausgabe der letzten Klassenarbeit eine offene Diskussion über den Sinn und Unsinn von Noten. Wir schauten im Schulgesetz und der Notenverordnung nach und prüften, wie Noten in der Schule zustanden kommen müssen. Es wurde klar, dass die Bestimmungen dazu insgesamt vage sind und damit ein großer Gestaltungsspielraum besteht.
Gemeinsam mit der Klasse wurde deshalb die nächste Klassenarbeit geplant:
Wie sollte sie ablaufen? Wie sollte die Note zustande kommen?
Mithilfe des Reflexionstools von pruefungskultur.de öffneten wir die Klassenarbeit in mehreren Dimensionen. Ein Schüler bemängelte an klassichen Klassenarbeiten den vorgegebenen Zeitpunkt – alle schreiben an einem Tag zur gleichen Stunde. Deshalb legten wir fest, dass sich die Schülerinnen und Schüler in der „Prüfungswoche“ den Tag aussuchen dürften. Da es in einer Deutschstunde sein musste, lief es letztlich auf den Montag oder Mittwoch hinaus. Aber immerhin eine kleine Wahlmöglichkeit.
An beiden Tagen würden dann vier Themen präsentiert, wovon eines zu wählen wäre (Öffnung im Aufgabenbereich). Die Themen waren alle im Schulkontext (à la „Schuluniform – ja oder nein?“) angesiedelt und dank KI stand schnell eine große Auswahl zur Verfügung. Die größte Innovation kam aber von einer Schülerin, die vorschlug, dass sich feste Zweierteams bilden sollten, die im Voraus bereits miteiander üben könnten (Öffnung der Sozialform).
Die Klassenarbeit sollte dann letztlich so aussehen:
Am jeweiligen Tag wählen beide Partner gemeinsam ein Thema zur Argumentation. Gemeinsam wird eine Mindmap zur Stoffsammlung erstellt (Argumente in Stichpunkten) und zwar sowohl für die Pro- als auch die Kontraseite. Dann wählen die Partner jeweils eine Seite (der eine dafür, der andere dagegen). Nun schreiben beide in Einzelarbeit eine Argumentation. Im Anschluss tauschen sie die Texte aus und führen mtihilfe eines Kriterienrasters eine Schreibkonferenz durch. Danach haben sie die Möglichkeit, die Anmerkungen in ihrem Text zu verarbeiten und ihn dadurch zu verbessern. Am Ende wird alles (Stoffsammlung, Aufsatz, Schreibkonferenzblatt) abgegeben.
Die Bepunktung wurde eine Woche vorher ebenfalls gemeinsam festgelegt. Die Klasse fand, dass der individuelle Aufsatz mit 30 Punkten am meisten zählen sollte. Die gemeinsame Vorarbeit sollte mit 5 Punkten honoriert werden. Insgesamt können also 35 Punkte erreicht werden. Wenn man die Schreibkonferenz für seinen Partner gut durchführt (hilfreiche Anmerkungen bzw. Erklärungen, warum ein Texttteil besonders gelungen ist), kann man bis zu 3 Punkte extra bekommen.
Am Tag der Klassenarbeit(en) arbeiteten die Schülerinnen und Schüler sehr konzentriert. Als die Themen präsentiert wurden, diskutierten sie gleich angeregt, ob sie das eine oder das andere nehmen sollten oder ob sie die Themen des anderen KA-Tages abwarten sollten. Danach starteten sie in ihre Arbeit. Da ein „Abschreiben“ nutzlos war, musste die Lehkraft nicht wie sonst mit Argusaugen durch die Reihen schreiten um etwaigen Unterschleif zu unterbinden. Erstmalig wurden auch die ausgegebenen Rechtschreibwörterbücher wirklich genutzt. Diese waren in den bisherigen Arbeiten immer liegen gelassen worden.
Die große Neuerung war für mich weniger die Art der Klassenarbeit, die letztlich noch recht klassisch blieb (ein Aufsatz pro Schülerin und Schüler), sondern die Art und Weise, wie die Klassenarbeit entstand und wie sie ablief. Die Diskussion im Voraus, die ja letztlich auf einer Metaebene geführt wurde (wir diskutieren darüber, wie eine Klassenarbeit zur Argumentation durchgeführt werden soll), war für beide Seiten motivierend und machte Lust auf noch mehr Öffnung in der Zukunft. Es war gut zu beobachten, dass auch ansonsten eher ängstliche Schülerinnen und Schüler entspannter in die Stunde kamen und in die Arbeit starteten als an üblichen Klassenarbeitstermin.
Die Qualität der Beiträge war insgesamt gut, mit wenigen Schwankungen nach oben oder unten. Der Notendurchschnitt war besser als bei bisherigen Klassenarbeiten in dieser Klasse. Das lässt sich auch für die Motivation konstatieren.
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