von Romano Bertuzzi
In diesem Beitrag soll es darum gehen, wie man die Lektüre im Unterricht in Form einer Gamifzierung umsetzen kann. Das Projekt wurde auf verschiedenen Stufen an einer beruflichen Maturitätsschule in der Schweiz durchgeführt (Abschlussklasse Berufsmatura Lehrbegleitend (Alter 18 – 19 Jahre)/ Berufsmatura nach der Lehre (Alter 20 – 22 Jahre). Im Kern ging es darum, dass die Lernenden ein gelesenes Buch in Form eines Games zusammenfassen, so dass der Anwender am Ende den Inhalt des Werkes anhand des Games verstehen und nachvollziehen kann.
Grundvoraussetzungen
Im Abschlussjahr der Berufsmatura erarbeiten die Lernenden mindestens eine Individuallektüre, welche gleichzeitig auch Bestandteil der mündlichen Abschlussprüfung ist. Entsprechend kann für diese Erarbeitung der Lektüre auch etwas Zeit im Unterricht beansprucht werden. Das Projekt ist am Ende der Ausbildung angesetzt, weil hier die zentralen Grundbegriffe der Literaturtheorie (Erzählperspektive etc.) bereits bekannt sind.
Aufgabenstellung
Folgende Aufgabenstellung haben die Lernenden erhalten:

Abbildung 1 – Konkrete Aufgabenstellung (Anm rb: Damals hiess das Programm noch CoSpaces)
Vorgehen
Das Projekt lässt sich grob in drei Phasen gliedern:
Lektürewahl und Lektüre
Zuerst wählen die Lernenden in maximal 3er-Gruppen die Lektüre, welche Sie für die Gamifizierung umsetzen möchten. Dabei können die jeweiligen Voraussetzungen der Indivuallektüren in den jeweiligen Ländern beachtet werden. Grundsätzlich gilt, je mehr beschrieben Handlungen ein literarisches Werk aufweist, desto einfacher ist die Umsetzung als Game. Dies kann bei der Lektürewahl etwas helfen. Erfahrungsgemäss wählen Lernende eher Werke mit mehr Handlung als mit abstrakten Erzählstrukturen. Wichtig ist es, bei der Lektüre stets im Hinterkopf zu haben, wie sich diese einzelnen Szenen oder Handlungen später im Game umsetzen lassen. Hier kann es sein, dass man nach einem Teil der Lektüre merkt, dass dieses Unterfangen schwierig bis unmöglich ist, dabei muss man als Lehrperson die Flexibilität besitzen, die Lektüre noch wechseln zu können. Wichtig ist jedoch, dass die Lektüre relativ bald gelesen wird. In meinem Unterricht wird das Projekt vor den Herbstferien eingeführt, so dass über die Ferien die Lektüre erfolgt.
Aufbau und Funktionsweise des Programms für die Programmierung des Games kennenlernen
Das Projekt wurde mit dem Programm Delightex (vormals CoSpaces) konzipiert. Das Programm ist ein simples Programmierprogramm um einfache Gamewelten zu erstellen. Der Vorteil des Programms ist, dass man als Lehrperson, wenn man eine Klassenlizenz besitzt, eigene Klassenräume erstellen kann und dort die Projekte der Klasse in Echtzeit beobachten kann und auch direkt unterstützen kann.

Abbildung 1 – Dashboard Delightex mit Übersicht der Klassenaktivitäten
Um das Projekt mit der Klasse reibungslos durchzuführen, lohnt es sich eine Pro-Version mit der Anzahl Schullizenzen wie Schüler abzuschliessen. Dort hat man entsprechend dann alle Funktionen und die Verwaltung ist einfacher. Als Lehrperson kann ich dann eine Klasse erstellen, die Lernenden können sich dann mit einem Klassencode bei der Klasse anmelden. Dann erstelle ich eine Aufgabe und stelle jeder Gruppe einen eigenen Space zur Verfügung.
Erfahrungsgemäss brauchen die Lernenden etwas Einarbeitungszeit in das Programm. Es gibt im Programm selber kurze Tutorials. Für die Programmierung der einzelnen Elemente können, je nach Vorkenntnisse, unterschiedliche Programmiersprachen gewählt werden. Für Einsteiger und Unerfahrene ist CoBlocks die einfachste Variante. Wer sich etwas mehr auskennt, kann bei der Gestaltung der Interaktionen auch TypeScript oder Python wählen.
Früher oder später werden die Lernenden fragen, ob Sie das Ganze nicht auch in Minecraft gestalten können. Das ist grundsätzlich möglich und in meinen Klassen ist es mittlerweile so, dass ca. 50% das Projekt in Minecraft umsetzen. Bei Minecraft ist das Teilen mit mir als Lehrperson jedoch etwas schwieriger. Ich brauche als Lehrperson die Vollversion von Minecraft und die Lernenden müssen Ihre gestaltete Welt via externen Servern mir als Lehrperson zur Verfügung stellen. Meistens können Sie mir das aber immer sehr gut erklären, und es hat bisher auch immer alles gut geklappt.
Hier muss ich als Lehrperson entsprechend selber entscheiden, inwiefern ich mich als technisch affin einschätze und die nötige Flexibilität an den Tag legen kann. Mit Delightex hat man von der Verwaltung und Umsetzung sicherlich weniger technische Schwierigkeiten, jedoch vielmehr damit, dass es für die Lernenden meist nicht so intuitiv ist, wie Minecraft.
Umsetzung des Projekts
Da die Lektüre und das Kennenlernen des Programms eher ausserhalb des Unterrichts stattfindet, wird vor allem für die Umsetzung des Projekts viel Zeit im Unterricht aufgewendet. Es ist sinnvoll die Programmierung und die Gestaltung der Welt im Unterricht laufen zu lassen, da die Lernenden so in Gruppen intensiv arbeiten können und ich als Lehrperson auch beratend zur Seite stehen kann. Bei mir haben die Lernenden rund 8 Wochen je zwei Wochenlektionen daran gearbeitet. Aus den ersten Erfahrungen haben viele Lernende trotzdem noch viele Stunden zu Hause an der Welt gearbeitet, es jedoch als schöne Arbeit empfunden. Viele haben rückgemeldet, dass es für sie keine verschwendete Zeit war und sie gar nicht gemerkt haben, dass sie so viele Stunden in dieses Projekt investiert haben.
Hier ist ein Beispiel eines Projektes aus der Klasse: Daniel Kehlmann – Die Vermessung der Welt: https://edu.delightex.com/YTF-FBK
Beurteilung
Für die Beurteilung eignen sich sogenannte Single-Point-Rubrics. Ich habe diese Variante von Philippe Wampfler übernommen und entsprechend für dieses Projekt angepasst. Ich habe es jeweils so gemacht, dass ich die Lernenden gemeinsam ein Dokument habe ausfüllen lassen und ich parallel selbst eines für die Gruppe ausgefüllt habe. Anschliessend bin ich mit den Gruppen zusammengesessen und wir haben die einzelnen Kategorien abgeglichen. Meistens landet man etwas innerhalb einer halben Note auf demselben Stand, teilweise sind die Lernenden sogar kritischer in der eigenen Bewertung.
Hier das SPR-Dokument für dieses Projekt:
Nun wünsche ich Euch viel Spass mit der Bearbeitung!
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